Das Motiv von Lesenden in der Bildenden Kunst zeigt häufig einen Moment des Versunkenseins, des Stillstandes, eine Art Entrücktheit des Ichs von der Welt. Dabei eröffnet der Akt des Lesens unendlich viele neue Welten und damit Unabhängigkeit im privaten, geschützten Raum. Lesen fördert die Konzentration und ist das Fundament für Bildung. Die enorme Bedeutung des Lesens ist unmittelbar einleuchtend, umso erschreckender sind die Zahlen zur Lesekompetenz. Laut Leo-Studie „Leben mit geringer Literalität“ von 2018 können 12 % der erwerbsfähigen Bevölkerung in Deutschland nicht oder nur unzureichend lesen und schreiben. Die Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung (IGLU Studie) von 2023 zeigt, dass 25 % der Grundschulkinder die mittlere Lesekompetenz fehlt. Damit zeigt sich eine erneute Verschlechterung der Lesekompetenz von Kindern. Im Verlauf der weiteren Schulbildung entstehen hier verringerte Bildungschancen. Diese Misere der Bildung und damit auch der Teilhabe von Kindern ist auch eine zukünftige gesamtgesellschaftliche Misere. Denn ohne Lesen keine Bildung, ohne Lernkompetenzen keine Fachkräfte von Morgen, ohne Möglichkeit der unabhängigen Meinungsbildung keine demokratiefähige Gesellschaft. Hier reicht es nicht, nur aufzuschreien und Probleme zu beklagen, hier braucht es eine klare politische Linie, die die Förderung der Lesekompetenz zur Priorität erklärt. Die eine differenzierte Förderung zur individuellen Unterstützung von Kindern vorsieht. Hierfür sind ausreichend Fachkräfte für Diagnostik, Unterstützung und Kompetenzvermittlung gefragt. Diese können wir nicht herbeizaubern, wohl aber unterstützen: durch geförderte Ausbildungen, gute Arbeitsbedingungen und faire Bezahlung. Und jeder und jede Einzelne von uns kann seinen magischen Moment des Lesezaubers teilen, indem er oder sie vorliest oder mit anderen ins Gespräch über Bücher geht. Lesen muss kein Moment des Ichs sein, sondern kann ein Wir schaffen.
Preiswerter Luxus
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