Heute steht bei den Sondierungsgesprächen von Union, FDP und Grünen erstmals die Familienpolitik auf der Tagesordnung. Es bleibt abzuwarten, ob sich die möglichen Koalitionäre bei ihrem ersten Treffen auf Eckpunkte verständigen können. Gegen Ende der vergangenen Woche hatten die Themen Klimaschutz und Migration zu heftigen Kontroversen unter den Gesprächspartnern gesorgt, zuletzt auch Verkehr und Landwirtschaft. Gestern Abend fanden sie wieder inhaltliche Gemeinsamkeiten bei Hilfen für Kommunen und beim Wohnungsbau. Es ist der fünfte gemeinsame Sondierungszwischenstand. So will eine Jamaika-Koalition angesichts stark steigender Mieten mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen. "Unser Ziel ist es, für ausreichenden bezahlbaren und geeigneten Wohnraum für alle zu sorgen und auch Eigentumsbildung gerade für Familien zu ermöglichen." CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sagte, die Union wolle in einem Jamaika-Bündnis erreichen, in den nächsten Jahren 1,5 Millionen neue Wohnungen zu bauen. Außerdem: Die potenziellen Regierungspartner haben sich darauf verständigt, die private und betriebliche Altersvorsorge zu stärken. Die Unterhändler vereinbarten, die bisherigen Vorsorge-Regeln verbraucherfreundlicher zu machen; sie wollen damit mehr Menschen dazu bringen, selbst aktiv zu werden. So soll geprüft werden, Betriebsrenten und Direktversicherungen nicht mehr mit dem vollen Krankenkassenbeitrag zu belegen - die Gewerkschaften hatten diese Praxis heftig kritisiert. Insgesamt sollen Arbeit und Rente eine zentrale Rolle im Regierungsprogramm einer möglichen Jamaika-Koalition spielen. Die Unterhändler vereinbarten als gemeinsames Ziel, die Beiträge zu den Sozialversicherungen stabil zu halten.
Mit Blick auf die heute diskutierte Familienpolitik sieht ein Bündnis die Bundesregierung in der Pflicht, eine Gesamtstrategie zur Bekämpfung von Kinderarmut in Deutschland umzusetzen. In einem offenen Brief an die Parteivorsitzenden der derzeit sondierenden Parteien fordert das Bündnis, dem guten Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen höchste Priorität einzuräumen. "Die Sondierungsgespräche müssen eine Grundlage dafür legen, dass allen Kindern in Deutschland gleiche Teilhabe- und Bildungschancen geboten werden", erklärte der Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes, Holger Hofmann, am Freitag in Berlin. Perspektivisch fordert das Bündnis eine belastbare Neuberechnung dessen, was Kinder und Jugendliche benötigen. Auch die Caritas will dem Kampf gegen Kinder- und Altersarmut Vorrang einräumen: Sozialpolitik müsse Priorität in der künftigen Bundesregierung haben, so der Verband. "Große Sorge bereitet uns neben der Armut von Kindern und ihren Eltern auch die wachsende Altersarmut", sagte Caritas-Präsident Peter Neher am Montag in Berlin anlässlich der laufenden Sondierungsgespräche von Union, Grünen und FDP zu einer Jamaika-Koalition. Der Verband fordert zugleich die Einrichtung einer Enquetekommission gleichwertige Lebensverhältnisse im Bundestag. In zunehmendem Maße seien Mütter mit unterbrochenen Erwerbsbiographien, Erwerbsgeminderte oder Versicherte mit langen Phasen der Erwerbslosigkeit ebenso wie Beschäftigte mit häufigem Wechsel zwischen abhängiger und selbstständiger Tätigkeit von Altersarmut bedroht, so die Caritas. Deshalb müssten nun die Weichen dafür gestellt werden, dass die Gesetzliche Rentenversicherung auch künftig eine auskömmliche Alterssicherung für alle Bevölkerungsschichten gewährleiste. (Familienbund der Katholiken/Sascha Nicolai)