Der Berliner Senat hat eine Bundesratsinitiative für ein Familienpflegegeld beschlossen. Ziel sei es, pflegende Menschen finanziell zu entlasten, teilte die Senatorin für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung, Dilek Kalayci (SPD), am Dienstag in Berlin mit. "Viele haben Schwierigkeiten, Pflege und Beruf zu vereinbaren, und müssen mit finanziellen Einbußen leben, weil sie ihre Arbeit für die Pflege einschränken oder ganz aufgeben." Sie setze sich deshalb für eine solche Entgeltersatzlösung analog zum Elterngeld ein. Den Plänen der Senatorin zufolge soll es für mehrere pflegende Arbeitnehmer pro pflegebedürftiger Person möglich sein, insgesamt 36 Monate flexibel vom Beruf freigestellt zu werden. Das Modell beschränke sich nicht auf Verwandte, sondern schließe auch Freunde und Nachbarn ein. Nach dem Vorschlag soll der Anspruch auf das Geld ab Pflegegrad 2 bestehen. Eine Inanspruchnahme des Familienpflegegelds dürfe sich nicht negativ auf andere Pflegeleistungen auswirken. Ähnlich wie beim Elterngeld müsse das Familienpflegegeld etwa 65 Prozent des entgangenen Nettogehalts entsprechen. Auch der Familienbund der Katholiken sowie die Deutsche Stiftung Patientenschutz sprechen sich für die Einführung eines Familienpflegegeldes aus. Es sollten pflegende Angehörige erhalten. Der Vorstand der Stiftung, Eugen Brysch, betonte, die Berliner Bundesratsinitatiative dürfe keine Absichtserklärung bleiben. Notwendig sei ein konkreter Gesetzesentwurf. Für die 670.000 berufstätigen pflegende Angehörigen sei eine staatlich finanzierte Lohnersatzleistung längst überfällig. Seit 2015 haben pflegende Angehörige über die sogenannte Familienpflegezeit das Recht, ihre Arbeitszeit für bis zu zwei Jahre zu reduzieren. Außerdem können sie ein zinsloses Darlehen vom Staat bekommen. Dieses wird bisher aber kaum in Anspruch genommen.
Der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, will die Pflege zu Hause erleichtern. Die unterschiedlichen Hilfsangebote sollten besser strukturiert und entbürokratisiert werden. "Der Leistungsdschungel muss aufgelöst werden", erklärte er am Mittwoch in Berlin. "Wir müssen die Bürokratie entschlacken und individuellere Leistungen ermöglichen." Bislang haben Pflegebedürftige eine Vielzahl teilweise kleiner, kombinierbarer oder sich gegenseitig ausschließender Leistungsansprüche. Dafür müssen 20 verschiedene Anträge gestellt werden. "Insbesondere Leistungen, die pflegende Angehörige entlasten sollen, werden deshalb oftmals nicht abgerufen", unterstreicht Westerfellhaus in einem Diskussionspapier. Er schlägt vor, dass künftig lediglich zwei Geldtöpfe - ein Entlastungsbudget und ein Pflegebudget - nahezu alle Ansprüche für die Pflege zu Hause umfassen. Das Pflegebudget soll sich am Pflegegrad orientieren und monatlich zur Verfügung stehen. Pflegebedürftige können es ganz oder anteilig für Leistungen der ambulanten Pflege- und Betreuungsdienste sowie für bestimmte Pflegehilfsmittel nutzen. Nicht ausgeschöpfte Beträge werden laut Konzept zu 50 Prozent ausbezahlt. Der Betrag umfasst die bisherigen Pflegesachleistungen beziehungsweise das Pflegegeld. Zusätzlich fließen der Entlastungsbetrag von 125 Euro, die 40 Euro für Pflegehilfsmittel und ein Teil des für die Verhinderungspflege zur Verfügung stehenden Betrags in das Budget. Das Entlastungsbudget sichert die Pflege, wenn Angehörige abwesend sind. Seine Höhe hängt ebenfalls vom Pflegegrad ab und steht pro Quartal zur Verfügung. Es soll flexibel für Tages- und Nachtpflege sowie für bis zu zwölf Wochen vorübergehende vollstationäre Pflege pro Jahr eingesetzt werden können. Die Linke erklärte, Entbürokratisierung sei wichtig. Entscheidender aber sei, dass professionelle Hilfsangebote fehlten, sagte die Pflegeexpertin Pia Zimmermann. Die Grünen sprachen von einem Schritt in die richtige Richtung. Pflegeexpertin Kordula Schulz-Asche forderte zugleich mehr unabhängige Beratung und Begleitung. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtsverbände kritisierte einen großen Mangel an Plätzen zur Kurzzeitpflege. "Auch Menschen nach Krankenhausaufenthalt, die noch nicht zu Hause versorgt werden können, suchen oft händeringend einen Kurzzeitpflegeplatz", erklärte Geschäftsführer Gerhard Timm. Auch die Deutsche Stiftung Patientenschutz verwies auf fehlende Entlastungsmöglichkeiten. Bestehende Angebote seien in der Regel überfüllt oder nicht zu erreichen, erklärte Vorstand Eugen Brysch. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) forderte unterdessen eine Entlastung von Betroffenen durch eine Kostenübernahme für digitale Pflegehelfer. Kassen sollten etwa die Kosten für Ortungs-, Notruf- oder Sturzerkennungssysteme tragen. Gleiches gelte auch für Abschaltsysteme für Haushaltsgeräte oder digitale Hilfen zur Erinnerung an die Nahrungs- und Getränkeaufnahme. Betroffene dürften mit Kosten von zum Teil mehreren Tausend Euro nicht allein gelassen werden, sagte vzbv-Vorstand Klaus Müller. (Familienbund der Katholiken/Sascha Nicolai/KNA)