Wer in Deutschland nach dem gesetzlichen Mindestlohn bezahlt wird, verdient derzeit 9,35 Euro die Stunde. Zu wenig - findet die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) und startet am 29. Februar die Mindestlohn-Kampagne "Kenn deinen Wert!" für christliche Werte in der Arbeitswelt. Ausdrücklich am 29. Februar, dem Schaltjahrtag, den die KAB zum Gedenktag des fiktiven "heiligen Prekarius" ausgerufen hat, um auf die prekäre berufliche Situation vieler Bürger aufmerksam zu machen. Der aktuelle Mindestlohn ist laut KAB eine "Armutsfalle" und vergrößert die Bedürftigkeit in Deutschland - vor allem bei Familien und älteren Menschen. Denn trotz Vollzeitarbeit reiche das Gehalt nicht für die Finanzierung einer Familie. Wer eine normale 40-Stunden-Woche hat und nach dem Mindestlohn bezahlt wird, bekommt ein Monatsgehalt von 1.621 Euro brutto. "Die Höhe des Mindestlohns ist eine gesellschaftspolitische Frage und muss sich an der EU-Definition der Armutsgefährdung von 60 Prozent des Durchschnittseinkommen orientieren", fordert deswegen die KAB-Bundesvorsitzende Maria Etl. Die katholische Organisation will einen Mindestlohn von 13,69 Euro und besteht darauf, dass die Bundesregierung den Mindestlohn entsprechend aufstockt. Das würde knapp 750 Euro brutto mehr im Monat ausmachen. Von 2019 auf 2020 wurde der Mindestlohn um 16 Cent angehoben. Im Mindestlohngesetz steht festgeschrieben, dass der Betrag alle zwei Jahre neu festgelegt werden muss. Erst seit dem 1. Januar 2015 sind Arbeitgeber verpflichtet, ein bestimmtes festgelegtes Arbeitsentgelt zu zahlen, das nicht unterschritten werden darf. Neben dem allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn gibt es in mehreren Branchen eigene Mindestlöhne. So wurde für die Pflegebranche eine eigene Mindestlohnkommission gegründet, die einen Mindestlohn von 11,35 Euro im Westen Deutschlands und 10,85 Euro im Osten beschlossen hat. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) sieht auch fünf Jahre nach Einführung noch große Defizite bei der praktischen Durchsetzung der Lohnuntergrenze. Viele Beschäftigte würden weiterhin um den gesetzlichen Mindestlohn betrogen. "Das Hauptproblem ist, dass es immer noch viele unehrliche Arbeitgeber gibt, die sich nicht an den Mindestlohn halten", sagte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell der "Saarbrücker Zeitung". Und auch mit der Höhe des aktuellen Mindestlohns ist der DGB nicht zufrieden: Er müsse "armutsfest" sein, so Körzell. Die KAB will mit ihrer Aktion in verschiedenen Städten in Deutschland auf Missstände, den Mindestlohn betreffend, aufmerksam machen. KAB-Mitglieder werden am Samstag an öffentlichen Orten wie Marktplätzen, vor Kirchen und in Einkaufsstraßen, über das Projekt informieren. Auch in den sozialen Medien will der Verband nach eigenen Angaben die Mindestlohn-Kampagne "Kenn deinen Wert!" begleiten. Neben dem Mindestlohn setzt sich der katholische Sozialverband grundsätzlich für faire und menschenwürdige Arbeitsbedingungen ein und kämpft unter anderem für den arbeitsfreien Sonntag und das Modell der Solidarischen Sockelrente, eine von Erwerbsverläufen unabhängige Basisrente, gegen die Altersarmut.
Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern liegen einem Datenreport zufolge auch an der unterschiedlichen Aufgabenverteilung in den Familien. In Deutschland verdienen Frauen im Schnitt pro Stunde rund 17 Euro und damit 21 Prozent weniger als Männer, wie die Hans-Böckler-Stiftung am Mittwoch in Düsseldorf vor dem Weltfrauentag am 8. März mitteilte. Frauen arbeiten demnach häufiger Teilzeit, um Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. Zugleich wenden sie mehr Zeit für unbezahlte Aufgaben wie Kinderbetreuung oder Pflege von Angehörigen auf. Der Stiftung zufolge arbeiten rund 46 Prozent der Frauen und 11 Prozent der Männer in Teilzeit. Unbezahlte Aufgaben wie Kinderbetreuung macht bei den Frauen 45 Prozent der Gesamtarbeitszeit aus; bei Männern beträgt der Anteil 28 Prozent. Die Studien-Autoren sprachen von einem Ungleichgewicht und geringeren Karrierechancen für Frauen, auch wenn sich ihre Lage langfristig gesehen verbessert habe. Laut Datenreport sind heute 72 Prozent der Frauen erwerbstätig. Das sind zwar immer noch 8 Prozentpunkte weniger als bei den Männern. Der Unterschied zwischen den Geschlechtern war vor 30 Jahren aber fast dreimal so groß. Zudem hätten Frauen bei schulischer und beruflicher Qualifikation weitgehend mit den Männern gleichgezogen, schreiben die Forscher. Dass sie dennoch schlechter verdienen, liege auch daran, dass von Frauen dominierte Berufe, etwa in der Pflege, geringer bezahlt würden als von Männern ausgeübte Berufe, etwa im technischen Bereich. Deutlich schlechter gestellt sind Frauen laut Studie bei der Altersabsicherung. Im Schnitt bekommen sie nicht einmal die Hälfte der Leistungen wie Männer, wenn gesetzliche, betriebliche und private Rente zusammengerechnet werden. Die Hans-Böckler-Stiftung fordert unter anderem stärkere Anreize für Männer, unbezahlte Familienarbeit zu übernehmen, ein besseres Gehalt für Sozialberufe sowie mehr Kita-Plätze. Für ihre Studie wertete die arbeitnehmernahe Stiftung Daten zu den Bereichen Bildung, Erwerbsarbeit, Einkommen, Arbeitszeit, Sorgearbeit und Mitbestimmung aus. Sie stammen aus unterschiedlichen Quellen, darunter dem amtlichen Mikrozensus und der Beschäftigungsstatistik der Bundesarbeitsagentur. Insgesamt soll die Analyse einen Überblick über den Stand der Gleichstellung in Deutschland geben. (Familienbund der Katholiken/Sascha Nicolai/KNA)