Wer Angehörige zuhause pflegt, ist oft enorm eingespannt. Etwa ein Viertel der Pflegehaushalte fühle sich zeitlich und psychisch sehr stark belastet, heißt es in einer am Mittwoch in Berlin veröffentlichten Forsa-Umfrage für den Pflege-Report 2020 des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO). Gleichzeitig tragen Haushalte, in denen Angehörige zu Hause gepflegt werden, im Durchschnitt nur geringe finanzielle Eigenbeteiligungen. Im Durchschnitt geben die befragten Pflegehaushalte eine zeitliche Belastung von 8,6 Stunden pro Tag für die Unterstützung der Pflegebedürftigen an. Mehr als sechs Stunden übernehmen dabei die Haupt-Pflegepersonen. Etwa 1,5 Stunden werden von anderen - nicht bezahlten - Personen und nur knapp eine Dreiviertelstunde (0,7 Stunden) pro Tag von Pflegediensten oder über andere Leistungen der Pflegeversicherung erbracht. Für die Studie wurden rund 1.100 pflegende Angehörige befragt. Gleichzeitig zeigen die Ergebnisse, dass die zeitliche Belastung sehr ungleich verteilt ist. So wendet die Hälfte der pflegenden Angehörigen rund vier Stunden und weniger pro Tag dafür auf, während ein Viertel der Haushalte mindestens siebeneinhalb Stunden (7,6 Stunden) pro Tag leistet. Haushalte, in denen Menschen mit den Pflegegraden 3 bis 5 oder mit einer Demenz gepflegt werden, sind besonders stark gefordert: Hier leistet ein Viertel der betroffenen Haushalte rund zehn Stunden Pflegearbeit pro Tag. Jeder zehnte Haushalt gibt sogar Pflegezeiten von 20 Stunden und mehr pro Tag an. Insgesamt ergab sich für knapp 26 Prozent der befragten Pflegepersonen eine "hohe Belastung". Für 43 Prozent wurde eine mittlere Belastung festgestellt, nur bei knapp 31 Prozent der Pflegenden ist sie niedrig. Die finanziellen Aufwendungen der Haushalte, in denen Angehörige gepflegt werden, halten sich dagegen in Grenzen: Nur jeder vierte Pflegebedürftige hat selbst Eigenleistungen für die Pflege und Betreuung zu Hause zu tragen. In diesem Fall liegen sie im Durchschnitt bei rund 250 Euro im Monat. Auch Haushalte, die Sachleistungen wie einen Pflegedienst oder Tagespflege nutzen, sind nur zu knapp 40 Prozent von Eigenanteilen betroffen. Sie zahlen dann im Schnitt etwa 200 Euro pro Monat. Nur fünf Prozent der Befragten gaben an, zusätzlich privat weitere Hilfen zu bezahlen.
Der Rettungsschirm für die Pflege soll bis zum 31. März verlängert werden. Das beschloss das Bundeskabinett am Mittwoch. Die Leistungen waren zunächst bis zum 30. September befristet. Dazu zählt insbesondere, dass stationäre und ambulante Pflegeeinrichtungen zusätzliche Aufwendungen sowie Mindereinnahmen, die ihnen durch die Covid-19-Pandemie entstehen, gegenüber den Pflegekassen geltend machen können. Auch für pflegende Angehörige gibt es längere Unterstützung. Konkret sollen die Pflegeheime die Kosten für zusätzliche Schutzausrüstung wie Masken und Anzüge umgehend ersetzt bekommen. Die Heime können auch fremdes Personal einsetzen oder Überstunden anordnen, obwohl das in ihren Verträgen anders geregelt ist. Kann ein Heim wegen Corona keine neuen Pflegebedürftigen aufnehmen, erstatten die Kassen die ausfallenden Beiträge für Unterkunft, Verpflegung und Eigenanteil. Pflegende Angehörige können weiterhin bis Ende Dezember 20 Arbeitstage kurzfristig frei nehmen, wenn ein akuter Pflegefall aufgrund von Covid-19 aufgetreten ist. Das Pflegeunterstützungsgeld kann weiterhin für 20 statt vorher 10 Arbeitstage in Anspruch genommen werden. Auch flexiblere Regelungen wie etwa eine kürzere Ankündigungsfrist der Familienpflegezeit werden bis 31. Dezember verlängert. Nicht verlängert werden soll hingegen die Regelung, nach der Pflegegutachten in den Einrichtungen nach Aktenlage vorgenommen werden. Das Gesetz soll im Oktober in Kraft treten.
Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) erklärte dazu, pflegende Angehörige leisteten in der Pandemie Enormes. Deshalb seien die im Mai in Kraft getretenen Regelungen verlängert worden. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz kritisierte dagegen weiterhin fehlende Hilfen für die häusliche Pflege. "Die drei Millionen Pflegebedürftigen und ihre Familien werden weiterhin vergessen", sagte Vorstand Eugen Brysch. Allein das Pflegeunterstützungsgeld von 10 auf 20 Tage zu erhöhen, sei fast schon ein Affront. "Denn der allergrößte Teil der pflegenden Angehörigen ist gar nicht mehr berufstätig." Hinzu komme, dass viele Plätze in der Kurzzeitpflege, Tagespflege und Verhinderungspflege weggebrochen seien. Brysch forderte von der Bundesregierung, Sonderregelungen für die häusliche Pflege auf den Weg zu bringen. "Ein pauschales Covid-19-Pflegegeld von 2.000 Euro muss der erste Schritt sein." Der Verband Deutscher Alten- und Behindertenhilfe (VDAB) begrüßte die Entscheidung als wichtige Unterstützung für Pflegeunternehmen. Es sei "ein wertvolles Signal, wenn die Sorge um den wirtschaftlichen Fortbestand durch Einnahmeausfälle oder finanzielle Mehrbelastungen abgemildert wird", erklärte Bundesgeschäftsführer Thomas Knieling. Er verwies auf weitere Herausforderungen im Herbst und Winter. In Deutschland sind gut 3,4 Millionen Menschen pflegebedürftig, drei Viertel werden zu Hause versorgt. Derzeit geht man von etwa 4,8 Millionen pflegenden Angehörigen aus. Davon sind nach Angaben des Bundesfamilienministeriums rund 2,5 Millionen erwerbstätig. Mehr als 70 Prozent der Hauptpflegepersonen sind dabei Frauen. (Familienbund der Katholiken/KNA)