Position des Familienbundes zu Entlastungsmaßnahmen in der aktuellen Inflation und Energiekrise

· Stellungnahmen · Steuern, Transfers, soziale Sicherung

Angesichts der anhaltenden Inflation und steigender Energiekosten braucht es zielgerichtete und sozial gerechte Entlastungsmaßnahmen. Das gilt auch und erst recht für Familien, die zu den am stärksten von Preissteigerungen betroffenen Gruppen gehören und bis weit in die Mitte der Gesellschaft hinein deutliche Einkommenseinbußen spüren. Familien müssen daher bei den Entlastungsmaßnahmen stärker berücksichtigt werden.

Unterstützung brauchen dabei zunächst vor allem jene, die aufgrund geringer Einkommen drohen, an den Rand des Existenzminimums zu geraten, oder die bereits auf Sozialleistungen angewiesen sind. Gleichzeitig ist zu beachten, dass die finanziellen Belastungen in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind. Daher müssen auch die Entlastungen bis in die gesellschaftliche Mitte reichen. So muss unter anderem im Sozial- und Steuerrecht berücksichtigt werden, dass durch die anhaltende Inflation das Existenzminimum von Kindern deutlich höher ausfällt. Grundsätzlich sollten aus Sicht des Familienbundes in der anhaltenden Krise Einmalzahlungen die Ausnahme bleiben. Sie sollten als Überbrückungsmaßnahmen im Übergang zu einer systematischeren Sozialpolitik eingesetzt werden. In der fortdauernden Krise sollten vor allem die bereits etablierten Familienleistungen konsequent genutzt und realitätsgerecht angepasst werden. Die Familien wissen, dass der Staat ihnen nicht jede Belastung abnehmen kann. Es ist aus ihrer Sicht aber umso mehr erforderlich, dass es in der Krise gerecht zugeht und Lasten gerecht verteilt werden.

Ein neues Entlastungspaket sollte aus Sicht des Familienbundes daher folgende Maßnahmen enthalten:

_Neuberechnung des Existenzminimums sowohl für Erwachsene als auch für Kinder: Die beträchtlichen Preissteigerungen fließen viel zu spät in die Regelbedarfe ein. Grundsicherungsleistungen wie Hartz IV sind daher aktuell nicht mehr existenzsichernd, zusätzlich zu ihrer ohnehin kritikwürdigen Höhe und Ermittlung. Zwingend nötig ist aus Sicht des Familienbundes daher eine generelle Neuberechnung der Regelbedarfe mindestens im Zuge der geplanten Bürgergeldreform sowie ein veränderter Modus der zwischenzeitlichen Anpassung der Regelsätze im SGB II und SGB XII. Bis es soweit ist, fordert der Familienbund als Ausgleich der Inflation einen pauschalen Zuschlag für Erwachsene und Kinder in Höhe von 100 Euro monatlich.

_ Anpassung Kinderfreibetrag und deutliche Anhebung des Kindergeldes: Eine Anhebung des Kindergeldes wirkt sowohl im unteren als auch im mittleren Einkommensbereich und hilft auf diese Weise zielgerichtet Familien, die im Vergleich zum vorhandenen Einkommen, gerade bei mehreren Kindern, durch hohe Alltagsausgaben besonders stark von den steigenden Preisen betroffen sind. Die gebotene Kindergelderhöhung sollte dabei mindestens die aktuelle Inflationsrate ausgleichen, was eine Erhöhung um rund 20 Euro pro Monat und Kind auf 240 Euro (1. und 2. Kind), 245 Euro (3. Kind) und 270 Euro (ab dem 4. Kind) voraussetzt.

Im Zuge der notwendigen Neuberechnung der Regelbedarfe ist zusätzlich die Anpassung der Kinderfreibeträge juristisch und sachlich zwingend, da diese das gesamte Existenzminimum steuerfrei stellen müssen. Für den Familienbund gelten bei den familienbezogenen Maßnahmen zwei Grundsätze: Einerseits haben Familien mit kleinen Einkommen Anspruch auf besondere Unterstützung und Förderung. Andererseits verdienen alle Familien eine verfassungsgemäße, gerechte Besteuerung und Abgabenerhebung, die ihre besondere Situation als Mehrpersonenhaushalte mit Unterhaltsverpflichtungen berücksichtigt.

_Erhöhung Kinderzuschlag: Mit der Anpassung existenzsichernder Leistungen für Kinder an die aktuellen Lebenshaltungskosten muss auch der Kinderzuschlag angehoben werden. Sinnvoll wäre zudem eine Ausweitung des Empfängerkreises durch eine Erhöhung der Höchsteinkommensgrenze bis hin zu mittleren Einkommen um die 70 bis 80 Prozent des Medianlohns. Das würde die besonders belasteten Familien stärken, die mit ihrem Einkommen knapp über der Grundsicherungsschwelle liegen und daher aus vielen Vergünstigungen herausfallen und nur wenig staatliche Unterstützung erhalten.

_Erhöhung Unterhaltsvorschuss und Entlastungsbetrag für Alleinerziehende: Besonders viele Alleinerziehende zählen zu den Familien mit geringen Einkommen. Um sie angesichts weiter steigender Kosten gezielt zu entlasten, ist es jetzt Zeit, die zuletzt von fast allen Parteien unterstützte Forderung nach einer Anhebung des Unterhaltsvorschuss durch die nur noch hälftige Anrechnung des Kindergeldes umzusetzen. Alleinerziehende könnten allein dadurch mit monatlich 109 bis 120 Euro (nach der hier vorgeschlagenen Erhöhung des Kindergeldes) gefördert werden. Eine Anhebung des steuerlichen Entlastungsbetrags könnte Alleinerziehende im mittleren Einkommensbereich zusätzlich unterstützen.

_Ausgleich „kalte Progression“ und Steuererhöhungen bei hohen Einkünften: Die Anpassung des Steuertarifs zur Vermeidung sinkender Reallöhne ist als zusätzliche Maßnahme für eine gerechte Besteuerung zwingend. Bleibt diese Anpassung aus, käme das einer versteckten Steuererhöhung durch Unterlassen gleich, und das pauschal und undifferenziert für alle inmitten einer akuten finanziellen Belastungssituation. Nötig ist aber auch eine gerechte Besteuerung von (Krisen-)Gewinnen. Daher fordert der Familienbund zielgerichtete Steuererhöhungen bei sehr hohen Einkommen und in der Krise gestärkten Unternehmen, nicht zuletzt zur Gegenfinanzierung der Entlastungsmaßnahmen. Zudem sollten im Sinne einer gleichmäßigen Lastenverteilung in der Krise die Erbschafts- Vermögens- und Kapitalertragssteuer in den Blick genommen und geprüft werden. Dass Gewinne privatisiert, Kosten und Verluste dagegen mehrheitlich sozialisiert werden ist kein tragfähiges Konzept für eine sozial gerechte Gesellschaft. Der im Koalitionsvertrag aufgeführte generelle Verzicht auf Steuererhöhungen ist angesichts der veränderten Umstände nicht mehr haltbar.

Speziell mit Blick auf die gestiegenen Energiekosten plädiert der Familienbund für:

_Preisdeckel für Grundbedarf an Strom und Gas: Gerade Familien sind als Mehrpersonenhaushalte von den Kostensteigerungen im Energiebereich stark betroffen. Preisstabilität für die unausweichlich nötige Verbrauchsmenge je Haushaltsgröße kann Familien spürbar entlasten und gleichzeitig das auch aus Nachhaltigkeitsgründen hilfreiche Energiesparen unterstützen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Kosten der Deckelung weitgehend auf die nachfolgenden KWh-Preise umgelegt werden. Dafür ist jedoch eine hohe Transparenz bei den anfallenden Kosten sowie bei der bereits verbrauchten Energiemenge zwingend.

_Moratorium für Strom- und Gassperren sowie Nebenkostenschulden: Vielen Familienhaushalten fällt es trotz großer Anstrengungen und staatlicher Unterstützung schwer, die schlagartig auf 200 bis 300 Prozent gestiegenen Energiekosten aufzubringen. Niemand sollte aufgrund offener Rechnungen für Strom, Gas und entsprechender Nebenkosten in diesem Winter im Dunklen oder Kalten sitzen müssen oder gar das Dach über dem Kopf verlieren.

­_Anpassung Wohngeld: das Wohngeld sollte für weitere Einkommensgruppen geöffnet und gestiegene Heizkosten sollten dort ebenfalls berücksichtigt werden.

 

Berlin, 02.09.2022
Familienbund der Katholiken (Bundesverband)
Littenstraße 108, 10179 Berlin
Kontakt: Matthias Dantlgraber, Ivonne Famula